Paradies doch kein Himmel by Anthea Bischof

Paradies doch kein Himmel by Anthea Bischof

Autor:Anthea Bischof [Anthea Bischof]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-03-14T23:00:00+00:00


Luz kam nach ihrem freien Tag ins Büro zurück. Wie jeden Morgen setzte sie sich an die ihre Arbeit, korrigierte die Berichte, tippte, vervollständigte und besorgte die korrekte Ablage. Sie war eine mustergültige Mitarbeiterin, wenn sie auch den Ruf hatte, ausnehmend abweisend sein zu können. Über Mittag blieb Luz in der Cafeteria, denn sie hatte Einiges aufzuholen und wollte keine Zeit verlieren. Sie wusste, dass sie konzentrierter und exakter arbeitete als die meisten ihrer Kollegen. Deshalb verliess man sich auf sie. Adelaida, ihre Bürokollegin, liess immer etwas liegen, was ihr keinen Spass machte oder schlug eine Arbeit ganz und gar aus. Luz tat das nie. Sie wusste, wie viel sie zu verlieren hatte und wie viel zu gewinnen, wenn sie sich unentbehrlich machte.

Adelaida setzte sich eben die Nachmittagsration Tereré auf und begann am Herd stehend von einer aussergewöhnlichen Verhaftung zu erzählen. Gestern sei dieser flachshaarige Mann eingesperrt worden, der vor ein paar Monaten ihre Schreibmaschine benutzt habe. Sie hätte sich sofort an ihn erinnert. Er sei doch so höflich gewesen, nun aber schien es, er habe arme Leute benutzt, um sich zu bereichern. Die humanitäre Hilfe liege ihm wohl weit weniger am Herzen, als es damals geschienen habe. Wie man sich doch in Menschen täuschen könne.

Luz erstarrte während eines Sekundenbruchteils. Es war vollkommen unglaublich. Wie hatte Vincent es geschafft, sich derart in Schwierigkeiten zu bringen? War er von Sinnen? Was hatte er der Polizei erzählt? Was wussten die nun möglicherweise von ihr?

Sie blickte sich diskret um und versuchte herauszufinden, ob ihre Kollegen sie anders ansahen als sonst, aber niemand schien sie besonders zu mustern. Sie atmete auf.

„Was hat er gemacht?“, fragte sie dann so beiläufig wie möglich.

„Er hat anscheinend Leute, weisst du, solche aus den Slums die sowieso nicht wissen, was sie tun und was recht ist, für sich eingesetzt, um Geld zu verdienen“, erklärte Adelaida.

„Wirklich? Die verdienen doch fast nichts, wieso soll er sich ausgerechnet an denen bereichern, die sowieso auf keinen grünen Zweig kommen?“ fragte Luz, die oft gehörte Verachtung gegen La Chacarita wie immer übergehend.

„Ich sage dir doch, der Mann ist seltsam. Ehrlich gesagt fand ich ihn sympathisch, als er hier war. Aber so falsch sind die Leute, siehst du, so falsch“, fuhr Adelaida fort und seufzte.

Luz blickte vor sich auf das gefüllte Käsebrötchen. Sie hatte Vincent durchaus nicht sympathisch gefunden, als er bei ihnen aufgetaucht war, aber sie wusste mit Sicherheit, dass er ein weit besserer Mensch war, als Adelaida es sich vorzustellen vermochte.

Als das Mädchen das sie war hatte Luz ihre Gefühle unter Verschluss und ihre Miene blieb ungerührt. Sie reagierte auf die Geschichte wie auf jeden anderen Klatsch. Doch nachmittags fand sie diskret heraus, was Vincent angelastet wurde, dass er in keiner gewöhnlichen Zelle, sondern einem Verhörraum untergebracht war, wie viele Toilettenbesuche ihm zustanden und dass das Hilfswerk auf jede Unterstützung seiner verzichtete. Sie staunte.

Als sie weiterlas, atmete sie auf, denn sie stellte fest, dass Consuelo mit keinem Wort erwähnt war.



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